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Interview mit Patrick Gretsch: Wie es Straßenradprofis schaffen gut auf dem Rad zu sitzen

Die Tage hatten wir das Vergnügen ein wenig mit Patrick Gretsch (PG) über seine Zeit als Straßenprofi und natürlich das Thema Sitzen zu plaudern. Patrick war in Junioren und U23-Zeiten ein hochdekorierter Bahn- bzw. Zeitfahrer und fuhr ab 2010 im amerikanischen Highroad-Team als Straßenprofi. Bis zu seinem Karriereende in 2016 fuhr er fünfmal den Giro d'Italia und einmal die Tour de France. Willst Du wissen, was Patrick im Interview mit Stephan (SW) erzählt hat? Dann schnell rein in den Beitrag.

Ich bin der Meinung, dass man auch unter sehr widrigen Umständen gut auf dem Rad sitzen kann - sofern man seine Hausaufgaben macht.

Patrick Gretsch

Los geht's

SW: Hallo Patrick, schön Dich wieder zu sprechen und schon mal vorab danke für Deine Zeit!

PG: Gerne, legen wir los!

SW: Fein, wie Du weißt, wollen wir in unserem Gutsitzen-Blog das Thema Sitzen auf dem Rad aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchten. Dazu gehört für uns natürlich auch die Sicht eines gestandenen Straßenradprofis, denn viel grausamer als das, was Ihr da macht kann es wohl kaum sein…

PG: Ach so schlimm fand ich das gar nicht, zumindest was das Sitzen angeht, das hat bei mir eigentlich immer ganz gut funktioniert, trotz 30.000 km bei Wind und Wetter auf dem Rad.

SW: Das ist natürlich beeindruckend, aber von ganz alleine ging das doch nicht, sicher habt Ihr einiges ausgetüftelt und probiert, oder?

PG: Ja sicher, bei mir stand ganz am Anfang meiner Profizeit eine Sitzanalyse bei Specialized in Kalifornien an. Mit dem damals ermittelten Setup inklusive Korrektur von Beinlängendifferenzen bin ich, mit kleinen Abweichungen, während meiner ganzen Karriere gefahren und stelle jetzt meine Räder immer noch so ein. Ich denke, dass dieses erste sehr gute Setup der Grundstein für mein vergleichsweise problemloses Sitzen war.

SW: Dem kann ich nur beipflichten. Ohne ein gutes Setup hast Du keine Chance auf anständigen Sitzkomfort. Da hilft kein Equipment der Welt, oder was denkst Du?

PG: Doch absolut, die Erfahrung habe ich ja gemacht. Allerdings hatten wir Profis beim Material gegenüber Normalfahrern schon Vorteile.

SW: Dachte ich mir schon. Was hattet Ihr denn in der Trickkiste?

Hosen müssen passen

PG: Was sicherlich einige wissen, ist, dass die Bekleidung immer maßgefertigt wird und wir z.B. bei Hosen zwischen verschiedenen Sitzpolstern auswählen konnten. In unserer Zeit war es auch oft so, dass es für die Profibekleidung nur eine Handvoll Hersteller gab. So hatten wir immer die „gleichen“ Klamotten, egal welches Label schlussendlich drauf war. Diese Kontinuität hat natürlich enorm geholfen. Manche Fahrer gingen sogar noch weiter und haben sich für die Hosen ihr Lieblingspolster eines anderen Herstellers einbauen lassen.

SW: Wenn Du schon von Hosen sprichst, was ging da so im Laufe einer Saison durch?

PG: Das schwankte immer ein wenig, aber 10-20 Hosen pro Saison waren eigentlich normal. Speziell zu den großen Rennen wurden wir immer komplett neu ausgerüstet. Da sind wir immer mit fast leeren Koffern angereist.

SW: Heißt also immer neues, stramm sitzendes Material. Das ist natürlich aus Funktionsgesichtspunkten ideal. Jetzt haben wir für das Sitzen schon zwei große Themen angesprochen, die Sitzposition und die Hose. Wie wird im Profilager mit Sätteln umgegangen?

Das Satteldilemma

PG: So und so. In der Regel hat jedes Team einen Sponsor für Sättel. Der Wunsch des Sponsors ist es dann selbstverständlich, dass die Fahrer die „sponsoreneigenen“ Sättel fahren. Ist man lange bei einem Team, mit gleichbleibenden Sponsoren und hat eine sehr gute Sitzposition inklusive Sattel und Hose gefunden, ist das einfach, weil man ein gewohntes System fährt. Allerdings sind Team- und Sponsorenwechsel eher die Norm, sodass vor allem bei Sätteln öfters Wechsel anstehen. Die Fahrer gehen damit ganz unterschiedlich um. Manche arrangieren sich und fahren einfach das neue Material, andere wiederum versuchen das geschätzte Sattelmodell aus dem vorigen Team weiterzufahren, entfernen die alten Logos und „kleben“ neue auf. Ganz nach dem Motto „don’t change a running system“. Das wurde natürlich nicht so gern gesehen und wurde nur in der absoluten Ausnahme oder bei Starfahrern geduldet. Das zeigt schon, dass der Sattel ein heikles Thema ist, ich hatte das Glück bei Specialized eine Vielzahl von Sätteln probieren zu können, bevor ich den richtigen gefunden hatte.

SW: Kann ich gut verstehen, wenn Du Dich mit riesigem Aufwand auf die Tour vorbereitet hast, riskierst Du bei so einer vermeintlich profanen Geschichte wie dem Sattel nichts mehr. Wenn wir schon bei der Tour, oder dem Giro, den Du ja mehrfach gefahren bist, sind. Wie habt Ihr es über 3 Wochen am Stück geschafft anständig zu sitzen?

Sonst noch so

PG: Erstmal hatten wir, wie schon besprochen, ein „eingefahrenes“ System aus Hose/ Sattel und Position. Speziell beim Giro, bei dem wir mitunter wirklich garstiges Wetter hatten, war die Körperpflege sehr wichtig. Ich war und bin kein Fan von Sitzcreme, habe aber immer sehr auf Hygiene geachtet. Also immer frische Hosen und entsprechende Körperreinigung. Wenn es mal ein sehr rauer Tag war, kam am Abend noch ein wenig Bepanthen auf die Sitzzone und das wars auch schon. Damit bin ich immer gut durchgekommen.

SW: Klingt fast schon zu einfach.

PG: Na ja, Sitzen auf dem Rad hat schon seine Herausforderungen, aber ich bin der Meinung, dass man auch unter sehr widrigen Umständen gut auf dem Rad sitzen kann. Natürlich nur, wenn man seine Hausaufgaben sauber macht, das heißt die Position stimmt und Hose/ Sattel zueinander passen.

SW: Das ist doch ein wunderbares Fazit für unser Gespräch. Vielen Dank dafür und vielleicht sehen wir uns bald mal am See um eine Runde zu fahren

PG: Gerne, hat mir Spaß gemacht und bis bald.

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